Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Krippenspiel 2014 – Der hinkende Hauptmann

 

Vorbemerkung:

Das Krippenspiel 2014 fällt insofern aus der Riege meiner Spiele heraus, weil ich es nur "just for fun" geschrieben habe. Durch meinen Stellenwechsel kann ich in diesem Jahr kein Spiel mitentwickeln und einstudieren. Aber die Idee war plötzlich in meinem Kopf und auf einer Zugfahrt nach Berln habe ich es aufgeschrieben. Vielleicht gefällt es irgendjemandem so, dass er/sie es mit einer Gruppe zur Aufführung bringt. Ich würde mich freuen.

 

Rollen:

Hauptmann
Volkszähler
Soldat
Wirt
Maria
Josef
Hirte 1-3
König 1-3

 

Szene I: Im Büro des Hauptmanns

Hauptmann: Mann, Mann, das ist wieder ein Tag … Nichts als Ärger hast du hier in Betlehem. Hätte ich mich doch nie auf diesen Posten hier beworben. Geld hin, Geld her, Stadtkommandant von so einem Kaff im tiefsten Israel, ne, wäre ich doch mal lieber in Rom geblieben …

[Soldat klopft.]

Hauptmann: Was ist denn jetzt schon wieder?!

Soldat: Wir haben wieder einen beim Klauen erwischt …

Hauptmann: Ja und? Gebt ihm zwanzig Hiebe mit dem Stock und dann ab in den Knast für eine Woche! Muss man denn hier alles alleine machen?!

[Soldat ab.]

Hauptmann: O Gott, dieses Land bringt mich um ...

[Steht auf, stützt sich auf seinen Stock, hinkt herum, schaut in den Kirchraum:]

Hauptmann: Was glotzt Ihr denn alle so? Habt Ihr noch nie einen Mann hinken gesehen? Ich sag Euch, ich bin stolz drauf. Damals, als wir gegen die Germanen gezogen sind und sie vernichtend geschlagen haben, ja, da hab ich mir diese kleine Verletzung geholt. Nein, ist nicht schön, aber ich trage den Stock mit Stolz!

[Schaut in den Kirchraum, wird nachdenklich, setzt sich wieder und redet leise weiter:]

Hauptmann: … aber lieber hätte ich sie nicht und wäre gesund. Aber das hab ich noch niemandem verraten. Ich bin schließlich hier der Hauptmann.

[Soldat klopft.]

Hauptmann: Was ist denn jetzt schon wieder?!

Soldat: Der Volkszähler aus Rom ist da.

Hauptmann: Ah, soll reinkommen! Nein, halt, Moment, warte noch …

[Steht auf, zieht die Uniform grade.]

Hauptmann: So, jetzt bitte!

[Soldat bittet den Volkszähler herein. Dieser ist eine stolze Person mit teurem Anzug und würdevollem Auftreten. Der Hauptmann verneigt sich.]

Hauptmann: Willkommen, willkommen in unserem schönen Betlehem!

Volkszähler: Hör auf zu quatschen, ein Drecksloch ist das. Ich bin jetzt schon froh, wenn ich hier fertig bin. Was hast du denn für eine Unterkunft für mich vorgesehen?

Hauptmann: Sie wohnen natürlich in meinem Haus. Das habe ich für Sie geräumt. Und mein Diener steht zu Ihrer Verfügung.

Volkszähler: Nett, nett … Und wo schläfst du so lange?

Hauptmann: Ich ziehe in das Quartier meiner Soldaten und die müssen so lange in eine der hiesigen Herbergen umziehen.

[Soldat verzieht das Gesicht, ohne dass der Hauptmann es sieht.]

Volkszähler: Dann soll er mich in dein Haus bringen. Ich brauche dringend ein heißes Bad und ein kühles Bier. Und morgen geht es dann los mit der Zählung, je schneller, desto besser. Du hast doch alles vorbereitet?

Hauptmann: Sicher, sicher, gnädiger Herr. Mein Büro hier ist bis morgen ausgeräumt und steht Euch zur Verfügung.

Volkszähler: Nun, denn, gehen wir!

[Soldat und Volkszähler gehen. Hauptmann wendet sich zum Kirchraum:]

Hauptmann: Ich sage Euch eins: Diese Volkszählung ist der totale Wahnsinn. Alle Menschen müssen sich in dem Ort in eine Liste eintragen lassen, in der sie geboren sind. So ein Blödsinn! Hätte doch gereicht, sie da zu zählen, wo sie wohnen! So ist jetzt ein Riesentrubel auf den Straßen. Die einen müssen dahin, die anderen dorthin. Der Kaiser hat es so angeordnet und alle springen. Und die Arbeit haben wir kleinen Leute, Mann, Mann, Mann …

 

Szene II: Vor dem Gasthaus

[Soldat sitzt vor dem Gasthaus.]

Soldat: Drei Wochen geht diese Zählung jetzt schon und wir wohnen hier mit vier Mann in diesem winzigen Zimmerchen in dieser Herberge. Da gehe ich nur zum Schlafen rein, sonst ist das nicht auszuhalten. Aber wir haben auch genug zu tun. Betlehem ist voller Menschen. Die einen kommen, die anderen sind fertig und gehen wieder. Wer Glück hat, erwischt am frühen Nachmittag ein Zimmer. Spätestens wenn die Sonne untergeht, ist alles voll. Dann irren die Unglücklichen durch die Straßen und klopfen überall an. Ach, da kommen schon wieder zwei …

[Maria und Josef nähern sich.]

Maria: Josef, gleich kann ich nicht mehr … Meine Knie sind wacklig, die Füße brennen und mein Bauch wird immer schwerer …

Josef: Maria, halt bitte durch, ich klopfe hier noch mal!

[Josef klopft an der Herbergstür. Wirt öffnet.]

Wirt: Wir sind voll, kein Zimmer mehr frei, zieh weiter, versuch es woanders!

[Wirt will die Tür wieder schließen, doch Josef schiebt den Fuß dazwischen:]

Josef: Guter Mann, schau doch, meine Frau ist schwanger, sie kann nicht mehr, bitte hab Erbarmen, du hast bestimmt noch eine Ecke, einen Abstellraum, wir nehmen alles!

[Maria verzieht vor Schmerz das Gesicht:]

Maria: Josef, mach was, ich glaube das Kind kommt bald!

[Josef schaut den Wirt verzweifelt an.]

Wirt: Ich würde ja gerne, aber die Gäste schlafen schon in den Gängen und in der Waschküche, wegen dieser Zählung ist hier die Hölle los!

[Soldat ist aufgestanden und kommt hinzu:]

Soldat: Guter Mann, ihr habt doch dahinten noch den Stall …

Wirt: Den Stall?! Ja, sicher … Aber, da können die beiden doch nicht rein, die Frau bekommt doch heute Nacht ein Kind!

Josef: Wir nehmen, alles, Hauptsache, ein Dach über dem Kopf und etwas Stroh zum Schlafen!

Wirt: Na dann, meinetwegen … Kommt mit!

[Wirt bringt Maria und Josef zum Stall.]

Soldat: Was ist das für eine Welt … Ein Kaiser gibt einen Befehl und Hunderttausende müssen rennen, ob jung ob alt, ob gesund, ob krank. Die arme Frau muss jetzt ihr Kind in einem Stall bei Ochs und Esel zur Welt bringen, das ist doch todtraurig …

 

Szene III: Vor dem Büro des Hauptmanns

[Hauptmann sitzt da, Soldat kommt und hat drei Hirten dabei.]

Soldat: Herr Hauptmann?

Hauptmann: Was ist denn jetzt schon wieder los?

Soldat: Wir haben diese drei Hirten aufgegriffen.

Hauptmann: Hä?! Was ist an drei Hirten besonders, dass man sie festnehmen muss?

Soldat: Sie sind gegen Euren Befehl nachts auf den Straßen in Betlehem unterwegs gewesen.

[Hauptmann runzelt die Stirn:]

Hauptmann: Na, dann mal her mit den dreien!

[Die Hirten kommen heran und bleiben vor dem Hauptmann stehen.]

Hauptmann: Was ist mit euch los, wisst ihr nicht, was sich gehört?! Kniet gefälligst nieder!

[Die Hirten bleiben stehen, verneigen sich, knien aber nicht.]

Hirte 1: Verzeiht, edler Herr, aber wir knien nur noch vor einem Menschen nieder.

Hauptmann: Seid ihr verrückt geworden? Soldat, hol die Peitsche, denen werde ich zeigen, wer hier zu bestimmen hat!

Hirte 2: Verzeiht, edler Herr, lasst uns bitte erklären.

Hirte 3: Seit letzter Nacht ist alles anders.

Hirte 1: Wir haben ein Kind gesehen.

Hirte 2: Und das hat unser Leben verändert.

Hirte 3: Vor ihm sind wir in die Knie gegangen.

Hirte 1: Und wir wussten:

Hirte 2: Von nun an werden wir vor niemandem mehr knien.

Hirte 3: Außer vor ihm.

Hauptmann: Ihr habt ein Kind gesehen und habt vor ihm gekniet?

Hirte 1: Ja, Engel wiesen uns den Weg.

Hirte 2: Wir waren wie immer bei unseren Schafen.

Hirte 3: Und plötzlich wurde es taghell, obwohl es mitten in der Nacht war.

Hirte 1: Ein Engel sagt uns:

Hirte 2: Fürchtet euch nicht!

Hirte 3: Wir verkünden euch große Freude!

Hirte 1: Euch ist heute der Heiland geboren.

Hirte 2: Gottes Sohn.

Hirte 3: Der Retter der Welt.

Hirte 1: Und ihr werdet das Kind in Betlehem finden, in einem Stall, in einer Krippe.

Hirte 2: Dort wo der große neue Stern drüber steht.

Hauptmann: Stern? Was für ein Stern?

Soldat: Habt ihr den nicht gesehen? Der ist doch seit Wochen jede Nacht am Himmel zu sehen.

Hauptmann: Nachts schlafe ich. Los, erzählt weiter!

Hirte 1: Wir haben unsere Schafe zurück gelassen.

Hirte 2: Und sind mitten in der Nacht nach Betlehem gelaufen,

Hirte 3: Und es war alles so, wie der Engel gesagt hatte.

Hirte 1: Ein Kind, grade geboren, in einer Krippe.

Hirte 2: Die Eltern standen dabei und Ochse und Esel auch.

Hirte 3: Wir sahen das Kind und spürten:

Hirte 1: Was für eine Güte!

Hirte 2: Was für Liebe!

Hirte 3: Was für Freundlichkeit.

Hirte 1: Wir wussten sofort:

Hirte 2: Das ist Gottes Sohn, der unser Leben neu macht.

Hirte 3: Und alles auf den Kopf stellen wird.

[Hauptmann lacht laut.]

Hauptmann: Was für eine lächerliche Geschichte! Ein Kind, Gottes Sohn, Retter der Welt! Der alles neu macht! (Schwenkt seinen Stock) Hier kann er mit anfangen, soll er mich mal vom Stock befreien! Aber gut, ihr habt mir eine lustige Geschichte erzählt, dafür erlasse ich euch die Prügel. Macht, dass ihr weg kommt! Und lasst euch nicht wieder in der Nacht auf den Straßen meiner Stadt blicken. Denn hier habe ich das Sagen!

[Hauptmann lacht noch mal und stößt mit dem Stock auf den Boden. Die Hirten verneigen sich und gehen.]

 

Szene IV: Vor dem Büro des Hauptmanns

[Hauptmann und Volkszähler sitzen vor dem Büro und trinken Wein, die drei Könige nähern sich.]

Volkszähler: Noch zwei Wochen und dann bin ich hier fertig. Dann kann ich endlich nach Hause und du bekommst wieder dein Haus und deinen Diener.

Hauptmann: Werter Herr, Ihr könnt solange bleiben, wie Ihr wollt. Gerne stelle ich Euch alles zur Verfügung, was ich habe.

Volkszähler: Du Schleimer, das glaubst du doch selber nicht, komm, stoß noch mal an mit mir, der Wein ist gut, nicht?

Hauptmann: Ja, danke auch, so guten Wein kann ich mir nicht leisten.

Volkszähler: Du bist ja auch nur ein Hauptmann, Prost!

[Mittlerweile sind die Könige heran gekommen. Hauptmann und Volkszähler schauen überrascht auf und erheben sich:]

Hauptmann: Edle Männer, was führt Euch hierher in diesen Ort?

Volkszähler: Habt Ihr Euch verirrt und Ihr wollt nach Jerusalem, zum Palast des König Herodes?

König 1: Von dem kommen wir her.

König 2: Wir haben schon eine lange Reise hinter uns.

König 3: Wir sahen einen Stern am Himmel.

König 1: In unseren Schriften fanden wir die Botschaft:

König 2: Folgt dem Stern und er führt euch zum neugeborenen König der Welt.

König 3: Er führte uns nach Israel.

König 1: Und wir gingen zum Palast nach Jerusalem.

König 2: Doch dort war kein neugeborenes Kind.

König 3: Herodes fragte seine Berater und die lasen in ihren Schriften.

König 1: Dort stand: In Betlehem wird es geboren.

König 2: Und wirklich, der Stern stand über Betlehem.

König 3: Jetzt müssen wir warten, bis es dunkel ist und wir den Stern wieder sehen.

König 1: Oder wisst ihr, wo der neugeborene Königssohn zu finden ist?

Volkszähler (lacht): Ihr seid lustig, wenn ein neues Königskind geboren wird, dann doch wohl in Rom, als Kind des mächtigen Kaisers Augustus.

König 2: Wir vertrauen auf unsere Schriften und den Stern.

König 3: Wir warten bis es dunkel ist.

[Könige gehen.]

Volkszähler: Was für irre Geschichten hier in diesem gottverlassenen Land geschehen. Drei Männer, verkleidet als Könige, auf der Suche nach einem Königskind! Komm, stoß noch mal mit mir an!

[Volkszähler hebt sein Glas, der Hauptmann auch, der sieht aber nachdenklich aus und reibt sich das Kinn.]

Hauptmann: He, Soldat, komm doch mal her!

Soldat: Ja, Herr?

Hauptmann: Geh doch mal hinter den drei Männern her. Ich hab so ein ungutes Gefühl. Und morgen früh kommst du und berichtest mir.

Soldat: Ja, Herr.

[Soldat schleicht hinter den Königen her. Volkszähler und Hauptmann trinken weiter.]

 

Szene V: Vor dem Büro des Hauptmanns

Hauptmann: O, hab ich Kopfschmerzen … Der Wein war gut, sehr gut sogar, aber ich hab´ viel zu viel davon getrunken …

[Soldat nähert sich.]

Hauptmann: Nun, was hast du mir zu berichten?

Soldat: Als es dunkel war, gingen die drei Männer auf den Stall neben der Herberge zu, in der ich wohne. Du erinnerst dich, da waren auch die drei Hirten drin, die wir festgenommen hatten.

Hauptmann: Ja, und?

Soldat: Die Könige blieben eine Zeitlang drin und dann kamen sie wieder heraus. Tränen liefen ihnen über die Wangen, sie lachten, fielen sich in die Arme.

Hauptmann: Haben die auch Wein getrunken?

Soldat: Nein, nein, sicher nicht. Ich bin ja hinterher geschlichen und habe durch die Tür geschaut. Und da sah ich sie vor einer Futterkrippe knien, und in der Krippe lag ein kleines Kind.

Hauptmann: Ein Kind in einer Krippe?!

Soldat: Ja, und es sah aus, als würde die Krippe leuchten.

Hauptmann: So, jetzt reicht es mir aber. Erst dieses Hirtengeschwafel und nun drei Könige, die weinend vor einer Futterkrippe knien, in der ein neugeborenes Kind liegt?! Führ´ mich hin, das will ich jetzt mit eigenen Augen sehen!

[Soldat führt Hauptmann zum Stall, beide betreten ihn schweigend. Der Soldat bleibt an der Tür stehen, der Hauptmann tritt an die Krippe und schaut lange stumm hinein. Dann geht der Hauptmann in die Knie.]

Hauptmann: Ich spüre, es ist wahr – das ist der Sohn Gottes. Von ihm geht Liebe, Erbarmen und Freundlichkeit aus. Sag mir, gute Frau, wie heißt das Kind?

Maria: Er heißt Jesus.

Hauptmann: Du musst die glücklichste Frau der Welt sein, dass du dieses Kind zur Welt bringen durftest. (Wendet sich zu Josef) Passt gut auf ihn auf, viele Menschen werden ihn noch brauchen, er bringt Heil und Frieden.

[Hauptmann steht auf, lässt dabei seinen Stock liegen. Überrascht schaut er auf, reckt alle Glieder.]

Hauptmann: Was ist das?! Mein Bein ist gesund! Du bist wahrhaftig der Retter der Welt, der Heiland, der alles neu macht!

[Hauptmann hüpft und springt aus dem Stall.]

Maria: Josef, ich bin so froh und doch habe ich auch solche Angst.

Josef: Angst? Warum hast du Angst?

Maria: Ich spüre, Jesus wird nicht nur Menschen froh machen. Andere werden sich über ihn ärgern, werden sich bedroht fühlen von ihm. Ich habe Angst, dass er viel leiden muss. Und das tut meinem Herz schon jetzt weh.

Josef: Vielleicht hast du recht. Aber jetzt ist er erst einmal da. Und alle, die ihm begegnen, gehen froh und verändert weg. Und ich freue mich, dass ich das miterleben kann. Und hoffe, dass es noch lange so weitergeht. Ich bin sicher, das, was hier im Stall von Betlehem geschehen ist, werden Menschen sich noch lange immer wieder und wieder erzählen.

 

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